Wir sind keine Superspreader!
UNISONO 2023/01
von STEFAN KÜNZLI / FD
Ein lesenswerter Artikel in der Zuger Zeitung Mitte Dezember 2022 hat bestätigt, dass die Schweizer Coronamassnahmen gegen die Blasinstrumente falsch waren. Eine Studie des Max-Planck-Instituts beweist, dass Trompete, Saxofon und Co. weniger Viren verbreiten als die Stimme beim Sprechen. SBV-Vizepräsident Andy Kollegger gibt Auskunft über den bleibenden Imageschaden bei unseren Musikvereinen und -verbänden. Weiter geht der Autor der Frage nach, ob es zu einem Sterben der Blasmusikvereine kommt. Lesen Sie hier einen Auszug des Artikels.
«Die Aussage der Bundesverwaltung, wonach Blasinstrumente Virenschleudern seien, hat dem Image der Blasmusik massiv und nachhaltig geschadet. Wer will schon ein Instrument lernen, das als gefährlich eingestuft wird?», so Andy Kollegger, der Vizepräsident des Schweizer Blas-musikverbands.
Genaue, schweizweite Zahlen gibt es noch nicht, doch der Rückgang ist beträchtlich. Nehmen wir das Beispiel der Musikschulen: Eine Umfrage der Hochschule Luzern vom September 2021 bei rund 400 Musikschulen hat ergeben, dass während Corona rund 10 Prozent weniger Kinder und Jugendliche ein Instrument erlernen wollten. Besonders dramatisch war der Rückgang bei den Holz- und den Blechblasinstrumenten. Auch die Verkäufe und die Reparaturen von Blasinstrumenten brachen während Corona beängstigend ein.
Spätes Studienergebnis entlastet
Letzten Herbst hat das renommierte Max-Planck-Institut fast unbemerkt ein Forschungsergebnis publiziert, das die Blasinstrumente fast vollständig entlastet. «Wir haben überraschenderweise festgestellt, dass Blasinstrumente weniger riskant sind als Sprechen oder Singen», sagt Moh-sen Bagheri, einer der Studienautoren und Leiter der Forschungsgruppe. Wie viele Partikel beim Musizieren mit Blasinstrumenten ausgestossen werden, ist gemäss Studie abhängig vom Instrument: Blockflöten setzen die geringste, Klarinetten, Saxofone, Trompeten und Posaunen die höchste Konzentration frei. Es gelangten zwar mehr Aerosole in die Umgebung als beim Atmen. Dies führe aber nicht zu einem höheren Ansteckungsrisiko.
Die niedrigere Übertragungsgefahr begründet die Studie damit, dass die Blasinstrumente wie Filter wirken würden, in denen grössere Partikel der Atemluft festgehalten werden. Das gefährlichste Instrument in Bezug auf die Verbreitung von Viren ist aber die Stimme. Beim Singen und Sprechen bringen infizierte Personen über 500-mal mehr virenbelastete Partikel in Umlauf als beim ruhigen Atmen. Bei Blasinstrumenten sind es nur fünf- bis fünfzigmal mehr.
Tipps für zukünftige Epidemien
Die Studie enthält darüber hinaus wichtige Tipps für wirksame Schutzmassnahmen. Masken auf dem Schallstück von Blechblasinstrumenten reduzieren gemäss der Studie den Ausstoss infektiöser Partikel zuverlässig. Max-Planck-Direktor Eberhard Bodenschatz ist überzeugt, dass der Unterricht, Proben und Konzerte mit Blasinstrumenten bei ausreichender Belüftung und einem Publikum, das FFP2-Masken trägt, sicher durchgeführt werden könnten. Das Übertragungsrisiko sei selbst nach einem einstündigen Konzert nur bei maximal 0,2 Prozent.
Zwei Jahrgänge fehlen
Die Studie kommt indes zu spät: Die verlorenen Jahrgänge in den Vereinen können nicht zurückgeholt werden; der Schaden ist angerichtet. Musikvereine abseits der Hochburgen in der Innerschweiz, im Wallis und im Bündnerland hatten teilweise schon vor Corona zu kämpfen. Gemäss Kollegger haben die Corona-massnahmen die Probleme akzentuiert. Musikvereine, die ohnehin schon mit Mitgliederproblemen kämpften, mussten aufgelöst werden oder mit einem anderen Verein fusionieren.
Fakt ist: Den Blasmusikvereinen fehlen zwei Jahrgänge. Noch spricht niemand von einem Vereinssterben. Doch das volle Ausmass der Massnahmen ist erst in einigen Jahren ersichtlich. Kollegger befürchtet, dass sich die Ausbildungslücke in rund vier Jahren, also dann, wenn die (fehlenden) Jugendmusikantinnen und -mu-sikanten vereinsfähig wären, sich dramatisch auf die Vereine auswirken könnte.