Alle wollen das “Concerto” hören

Alle wollen das “Concerto” hören

BAZ vom 02. Februar 2023
von Nick Joyce

Stilwechsel im Stadtcasino Die Stadtmusik Basel wagt sich an das «Concerto for Group and Orchestra» von Jon Lord heran. Deep Purples früher Spagat zwischen Klassik und Rock hat eine bewegte Geschichte.

1969 machte das ehrgeizige Werk Deep Purple berühmt — und in­spirierte Künstler wie Procol Harum, Rick Wakeman und Emer­son, Lake & Palmer zu eigenen Kollaborationen mit klassischen Klangkörpern. Am kommenden Samstag spielt das Sinfonische Blasorchester der Stadtmusik Basel zusammen mit Mitgliedern der Basler Rockband The Waldenburg im Stadtcasino Jon Lords «Concerto for Group and Orchestra». Ein Programmpunkt, der bislang Erfolg garantierte.

Ende der 1960er-Jahre hatten Grenzgänge zwischen Klassik und Rock noch Seltenheitswert. Darum waren die Kameras der britischen Rundfunkanstalt BBC vor Ort, als Deep Purple das «Concerto» am 24. September 1969 mit dem Royal Philharmo­nic Orchestra zum ersten Mal aufführten. Das Konzert in der Royal Albert Hall wurde schon im Vorfeld als Kulturereignis gefeiert. Der im Dezember des gleichen Jahres als LP veröffent­lichte Livemitschnitt bescherte Deep Purple ihren ersten inter­nationalen Bestseller.
Jon Lord, der langjährige Or­ganist von Deep Purple, blickte zeitlebens kritisch auf die viel beachtete Premiere zurück. «Da­mals mussten wir mit angezo­gener Handbremse spielen, um das Orchester nicht zu überdröh-nen», sagte er 2008. «Zum Glück ist die moderne Beschallungstechnik so ausgeklügelt, dass man das Lautstärkengefälle zwi­schen den gar unterschiedlichen Klangkörpern leicht ausgleichen kann.»

Im Stadtcasino wird das «Concerto for Group and Orches­tra» nicht nur besser klingen als bei seiner Uraufführung, son­dern auch ein bisschen anders. 1999 wollten Deep Purple das Werk für ein Jubiläumskonzert wieder aufgreifen, nur lag die Originalpartitur nicht mehr vor. Jon Lord musste seine Komposi­tion anhand bestehender Ton-und Videoaufnahmen rekonst­ruieren. «Bei einigen Passagen habe ich schlicht kapituliert», gab zu. «Hie und da habe ich ein bisschen nachkomponiert.»
2002 verliess Jon Lord Deep Purple. Als Solist mangelte es ihm nicht an Arbeit. Viele klassische Ensembles wollten sein «Concer­to» mit ihm aufführen, um so ein jüngeres Publikum an ihre Kon­zerte zu locken. Was ganz in Lords Sinn war. «Natürlich freut es mich, wenn Rockfans in Leder­jacken und Klassikkennerinnen in Nerz sich beim selben Konzert einfinden. Mit meinen Cross­ over-Projekten verfolge ich aber keine missionarischen oder auf­klärerischen Absichten. Mir geht es vor allem darum, Menschen zu unterhalten.»

Misstrauische Annäherung

Unterhaltsam ist das «Concerto» allemal, ist es doch als klar er­kennbarer Annäherungsversuch zwischen Rockband und Orches­ter angelegt. Im ersten und im zweiten Satz beschnuppern die beiden Klangkörper einander eher misstrauisch, erst im drit­ten Satz ringen sie sich zu einer erlösenden Begegnung auf Au­genhöhe durch.
Bis zu seinem Tod im Jahr 2012 stand Jon Lord dem «Con­certo for Group and Orchestra» kritisch gegenüber. «Mir sind nach 1969 stimmigere Komposi­tionen für Rockband und Or­chester gelungen», sagte er. «Nichtsdestotrotz wurde das <Concerto> zu meiner Visiten­karte. Alle wollen es hören.»
Beim Stadtcasino-Konzert von dem Sinfonischen Blasorchester der Stadtmusik Basel und The Waldenburg wird übrigens auch «Appalachian Spring» von Aaron Copland zu hören sein. Eine stimmige Wahl, lieferte das Euvre des amerikanischen Kom­ponisten doch die Basis für meh­rere Klassik-Rock-Versuche von Emerson, Lake & Palmer. Mit ihrer Interpretation von «Coplands Fanfare for the Com­mon Man» lieferten ELP 1977 den Beweis dafür, wie heikel Grenz­gänge zwischen Klassik und Rock doch sind. Virtuosität allein genügt nicht, damit solch weite Spagate tatsächlich gelingen. Nicht umsonst übertrifft Deep Purples feurige Originalversion des «Concerto for Group and Or­chestra» die gar steif geratene Studioversion dieses Werkes, die Jon Lord kurz vor seinem Tod 2012 einspielte.